26. Juli 2023
Künstliche Intelligenz (KI) nimmt in der Elektronikfertigung deutlich Fahrt auf und wird zu einem zentralen Schwerpunktthema der Branche. Mit zahlreichen erfolgreichen Projekten integriert die Industrie Lösungen des Machine Learning (ML) tiefer in die Fertigungslinien. Welche Produktivitäts-Chancen sich daraus ergeben, wird die productronica 2023 von 14. bis 17. November in München aufzeigen. Ideeller Träger des bedeutendsten Events der Branche ist VDMA Productronic.
Künstliche Intelligenz gilt als Enabler für mehr Produktivität und bietet somit enorme Wachstumschancen: 2,6 Milliarden US-Dollar globales Marktvolumen für ‘KI in der Fertigungstechnik’ verzeichnete das kanadische Marktforschungsunternehmen Emergen Research für 2022 – mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 44,5 % über die zurückliegenden Jahre. Diese werde sich annähernd fortsetzen, so die Prognose. Treibende Kräfte seien ‘Predictive Maintenance’ und ‘Smart Factory’.
Automatisierte Inspektionssysteme der Elektronikfertigung sind heute beinahe durchweg „smart factory ready“. Zwar besteht nur mittelbar ein Bezug zwischen den Volumina der beiden Märkte – doch ist das weltweite Marktvolumen für AOI von rund 650 Millionen US-Dollar und jährlichem Wachstum von rund 20 % eine eindeutige Trendbestätigung. Bei den Produkten aller führenden Unternehmen des Marktes (darunter als Aussteller der productronica 2023 die Firmen Goepel, Koh Young, Saki und Viscom) ist der Übergang zum Einsatz von KI in den Systemen deutlich zunehmend.
Volker Pape, im VDMA seit 2017 Vorsitzender des Vorstands der Fachabteilung Productronic sowie Mitbegründer und Viscom Aufsichtsratsmitglied, erklärt: „Die Selbstlernfähigkeiten unserer Inspektionssysteme haben dort, wo wir KI einsetzen, einen hohen Reifegrad erreicht. Da die Häufigkeit der echten Fehler in der Elektronikfertigung überschaubar ist, mussten unsere Ingenieure per Bildbearbeitung noch zusätzlich ’künstliche‘ Fehlerbilder schaffen, um für die KI eine relevantere Lernstichprobe und damit einen noch höheren Lerneffekt zu erreichen.“
Dr. Sebastian Mehl, dessen Aufgabe bei der Siemens AG die Integration ausgereifter und arbeitsfähiger KI-Anwendungen in Produktionsumgebungen der Elektronikfertigung ist, erläutert, warum KI in AOI-Anwendungen eine so große Rolle spielt: Bereits ohne KI ließen sich zwei Drittel der getesteten Baugruppen als Gutteil erkennen. Unter den ca. 30%, die den „first pass yield“ nicht schafften, hatte aber nur der kleinste Teil tatsächlich einen Fehler.
Wenn nun bei dieser Menge an „false calls“ Menschen im 2. Durchgang die Nachprüfung übernehmen, müsse ein erheblicher zusätzlicher Prüfaufwand betrieben werden. Ansonsten sei die Gefahr groß, dass dabei einige der tatsächlichen Fehler übersehen werden, sagt Dr. Mehl. In SMT-Fertigungslinien von Siemens hat man es mit Hilfe von KI geschafft, die Zahl der „false calls“ zu halbieren beziehungsweise die „first pass“-Rate um 15% zu erhöhen. Mehl zu den bisherigen Projekterfahrungen: „Der entfallene zusätzliche Prüfaufwand lässt sich in 6-stelligen Einsparungen pro Jahr handfest bemessen.“
Der KI-Einsatz im genannten Beispiel bringt damit nicht nur ein Qualitätsplus, sondern ganz eindeutig auch wirtschaftliche Vorteile. Ziel des MLOps-Teams (Machine Learning Operationalized) ist es deshalb, die KI-basierte Technologie in allen Fertigungslinien einzuführen.
Die productronica 2023 steht unter dem Motto „Die Zukunft der Elektronikfertigung mitgestalten“. Neben KI in der Elektronikfertigung sind Automatisierungstrends in der Branche und die wachsende Bedeutung der Leistungselektronik die weiteren Schwerpunktthemen der diesjährigen Weltleitmesse für Entwicklung und Fertigung von Elektronik. Der productronica-Hauptstand des VDMA geht außerdem verstärkt auf das Thema Sensorik in der Elektronikfertigung ein.